Blumentiere (Anthozoa)
Die Blumentiere (Anthozoa) sind mit etwa 7500 Arten die größte Klasse der Nesseltiere (Cnidaria). Innerhalb dieser Klasse fehlt die Medusenform, das heißt, die Tiere kommen nur als Polypen vor. Dies wurde früher als Reduktion interpretiert; heute wird angenommen, dass das Medusenstadium primär fehlt. Sie werden daher meist den Medusozoa, d. h. den anderen, Medusen bildenden Klassen der Nesseltiere gegenübergestellt. Die Tiere leben einzeln oder kolonial, als Klone mit oder ohne Skelett, das organisch oder mineralisiert sein kann. Sie leben ausschließlich im Meer und kommen dort in allen Tiefenstufen bis in abyssale Tiefen vor. Die meisten Arten sind jedoch auf die obersten 100 m beschränkt.
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Fischfressende Seedahlie (Urticina piscivora)
Urticina piscivora ist eine Seeanemone aus dem kalten, nordöstlichen Pazifik an der Westküste Nordamerikas. Sie lebt dort in Tiefen von 1 bis 30 Metern, angeheftet an Felsen oder Tangen.
Urticina piscivora ist die größte Art der Seedahlien und erreicht einen Durchmesser von 30 Zentimeter. Ihre langen Tentakel nesseln sehr stark und stehen weit außen an der Mundscheibe. Die Seedahlie frisst Fische, aber auch Krebse und andere Wirbellose.
Merkmale der Anthozoen
Die Blumentiere sind durch das primäre Fehlen des Medusenstadiums charakterisiert. Das Merkmal ist ein ursprüngliches oder plesiomorphes Merkmal und kann nicht zur Begründung der Monophylie benutzt werden.
Dafür zeigen die Polypen drei Merkmale, die nur bei Polypen der Blumentiere vorkommen:
- Actinopharynx (auch Stomodeum)
↳ eine ektodermal ausgekleidete Röhre, die in den Gastrovaskularraum (Coelenteron, Körperhohlraum) hineinreicht. Fehlt nur bei der Schwarzen Koralle (Sibopathes) - Siphonoglyph (auch Sulcus)
↳ eine dicht bewimperte und meist drüsige Region des Actinopharynx, die einzeln oder paarig vorkommt. Sie fehlt nur wenigen Gruppen. - Mesenterien
↳ radial angeordnete blattförmige Gebilde des Weichkörpers, die sich von der Körperwand zum Actinopharynx erstrecken.
Auf dem Bild:
Polyp von Acanthastrea lordhowensis
Lebensraum
Blumentiere sind an Wasser gebunden und weltweit in allen Meeren verbreitet. Sie sind bis in eine Tiefe von 6.000 m anzutreffen. Einzellebende Exemplare sind an harte Oberflächen gebunden oder tief im Schlamm oder Sand vergraben. Koloniebildende Blumentiere überkrusten andere Substrate oder bilden Skelette unterschiedlichster Formen. Kolonien von Seefedern (Pennatulacea) sind durch den Primär-Polypen im weichen Untergrund verankert. Riffbildende Arten leben typischerweise in flachen (bis 40 m Tiefe), klaren, tropischen Gewässern.
Auf dem Bild:
Die Edelkoralle (Corallium rubrum) lebt in Höhlen im Mittelmeer.
Entwicklungsgeschichte
Molekulartechnische Untersuchungen ordnen die Blumentiere als den frühesten Zweig der Nesseltiere. Auch das exklusive Lebensstadium als Polyp, das Urstadium aller Nesseltiere, stützt diese Ordnung. Erste Fossilien stammen aus dem Präkambrium (vor etwa 540 Millionen Jahren). Erst im Ordovizium wurden Fossilien von mineralisierten Blumentieren häufiger. Erste Fossilien von Steinkorallen (Scleractinia) sind aus der Trias (vor etwa 230 Millionen Jahren) belegt.
Auf dem Bild:
Syringopora sp. aus der Ordnung Tabulata.
Die Tabulata sind eine ausgestorbene Ordnung der Hexacorallia, die vom Ordovizium bis zum späten Perm lebten. Der Name "Tabulata" ("Bödenkorallen") kommt von den horizontalen Plättchen im Skelett der Einzelpolypen (lat. tabulatus – getäfelt). Die 300 beschriebenen, ausschließlich kolonial lebenden Gattungen der Tabulata waren neben den Rugosa (Runzelkorallen) die ersten riffbildenden Blumentiere.
Systematik der Blumentiere:
Unterklasse Hexacorallia
auch Sechsstrahlige Blumentiere
oder Zoantharia genannt.
Der Gastralraum dieser Tiere ist durch paarige, fleischige Magenleisten "Mesenterien" von der Magenwand her unterteilt. Bei den rezenten Hexacorallia werden im Laufe der Entwicklung sechs paarige Mesenterien (Protomesenterien) gebildet, die von der Polypenbasis bis zum Schlundrohr reichen. Im Laufe der Entwicklung können weitere Mesenterienpaare (Metamesenterien) gebildet werden. Den Raum zwischen zwei Mesenterien nennt man Gastraltasche. Die Tentakelanzahl entspricht der Zahl der Gastraltaschen (außer bei den Corallimorpha).Skelett tragende Hexakorallen besitzen ein Basisskelett, den Kelch oder Polypar. Neben der Kelchwand besteht dieses aus radial stehenden, vertikalen Septen. Die Skelettsubstanz ist bei den rezenten Hexacorallia Aragonit.
- Seeanemonen (Actiniaria)
- Schwarze Korallen (Antipatharia, auch als Dörnchenkorallen bezeichnet)
- Zylinderrosen (Ceriantharia)
- Scheibenanemonen (Corallimorpharia)
- Steinkorallen (Scleractinia)
- Krustenanemonen (Zoanthidea)
- † Tabulata ("Bödenkorallen")
- † Rugosa (auch als Tetracorallia bezeichnet)
Unterklasse Octocorallia
auch Achtstrahlige Blumentiere
oder Alcyonaria genannt.
Der Gastralraum dieser Tiere ist durch acht unpaarige Mesenterien unterteilt und sie haben entsprechend viele Tentakeln.
Das Skelett der Octocorallia leitet sich mit der Ausnahme der Helioporida von kalzitischen Skleriten ab, die miteinander verwachsen können und so feste Gerüste bilden. Sie werden von Ektodermzellen gebildet, die in die Mesogloea eingewandert sind. Die Helioporida besitzen keine Sklerite, ihr Skelett besteht aus Aragonitfasern, die vom basalen Ektoderm ausgeschieden werden.
- Weichkorallen (Alcyonacea)
- Helioporacea
- Seefedern (Pennatulacea)
Riffbildung
Große ökologische Bedeutung haben Korallenriffe, die von einer Untergruppe der Nesseltiere, den skelettbildenden Steinkorallen, aufgebaut werden. Diese Riffe treten in zwei ökologischen Bereichen auf: Zum einen als Tiefwasserriffe in kaltem Wasser ab 60 Metern Tiefe, so zum Beispiel entlang des europäischen Kontinentalhangs, zum anderen als Flachwasserriffe in warmen Meeren mit Wassertemperaturen über 20 °C. Wichtig für deren Riffbildung sind die bereits angesprochenen endosymbiotischen Algenpartner, die Zooxanthellen.
Aufgrund der notwendigen Sonneneinstrahlung gibt es Korallenriffe als Flachwasserrriffe nur in tropischen Gewässern. Die Korallenpolypen scheiden dort neben anderen Tieren wie bestimmten Röhrenwürmern, aber auch diversen Rotalgen oder Grünalgen, Kalk (Calciumcarbonat) als Außen- oder Exoskelett ab, der sich mit der Zeit zu wahren Gebirgen auftürmen kann. Sobald die Lichtausbeute zu gering wird – dies ist auf jeden Fall ab einer Wassertiefe von 60 Metern der Fall – sterben die Korallen ab, auf ihren Skeletten haben sich dann schon die nachfolgenden Generationen festgesetzt. Auf diese Weise können Korallenriffe bei langsam steigendem Meeresspiegel in die Höhe wachsen.
Auf dem Bild:
Verschiedene riffbildende Steinkorallen aus der Gattung Acropora.
Korallenriffe sind sehr artenreiche Ökosysteme, die durch die Beeinflussung von Meeresströmungen auch globale Auswirkungen haben. Sie sind von einer Vielzahl von Organismen, Schwämmen, diversen Würmern, Fischen, aber auch Algen und verschiedenen Protisten bewohnt.
In erdgeschichtlicher Zeit haben sich zahlreiche Gesteinsformationen aus dem unter anderem von Korallen abgelagerten Kalkstein gebildet: So gehen beispielsweise die reichen Vorkommen der Eifel und des Bergischen Landes auf Hunderte Millionen Jahre alte devonische Korallenriffe zurück. Jüngeren Datums sind die Bermuda-Inseln und die Bahamas, aber auch zahlreiche pazifische Inselgruppen, die auf Korallenriffe zurückgehen.
Die Ausbreitung des menschlichen Tourismus wirkt sich oft sehr negativ auf die, zu den Blumentieren gehörenden Korallen aus. Das global zu beobachtende Korallensterben gilt unter Riffbiologen als äußerst bedenklich, da Korallen Schlüsselorganismen sind, deren Tod oft das Absterben des ganzen reichhaltigen Ökosystems nach sich zieht. Neben der Einleitung von nitratbelasteten Abwässern ist hier unter anderem die Cyanidfischerei zu nennen, die in kurzer Zeit weiträumige Lebensräume vernichten kann. Eine weitere Gefahr für Korallen sind die infolge des Klimawandels steigenden Wassertemperaturen: Überschreiten sie eine kritische Grenze, stoßen die Korallen oft ihre symbiotischen Algenpartner (Zooxanthellen) ab und bleichen damit aus. Nach dieser Korallenbleiche können die Korallen nur schwer allein überleben. Kehren die Zooxanthellen über einen langen Zeitraum nicht zurück, sterben die Korallen ab.
Auf dem Bild:
Nach Korallenbleiche, durch zu hohe Wassertemperaturen, abgestorbene Steinkoralle.
Zylinderrosen
Auf dem Bild:
Zylinderrosen gehören, genau wie ihre Verwandten, die Seeanemonen und Korallen zu den Nesseltieren.
Seefedern (Pennatulacea)
Die Seefedern (Pennatulacea) sind eine Ordnung der Blumentiere (Anthozoa), welche die Sand- und Schlickböden in allen Weltmeeren besiedeln. Sie leben meist in größeren Tiefen, nur in den Tropen auch im Flachwasser. Derzeit sind etwa 440 Arten beschrieben, von denen aber nur knapp die Hälfte gültig ist.
Die streng symmetrisch angeordnete Polypenkolonie ist sehr zäh und kräftig gebaut. Sie erinnert in ihrer Form an eine Feder. Von einem zentralen Stamm, der auf einem leicht anschwellbaren Grabfuss steht, zweigen im oberen Teil in einer Ebene zahlreiche Seitenäste ab, auf denen die einzelnen Polypen stehen. Die Festigkeit der Kolonie beruht auf der Einlagerung von Hornsubstanz (Pennatulin) und Kalknadeln, die platten- (am Fuß) oder nadelförmige Gestalt (am Stamm) haben. Die Polypen sind durch ihre geringe Größe (etwa 1 mm) und fehlende Färbung sehr unscheinbar. Die Farbe des Korallenskeletts ist meist leuchtend violettrot, innen jedoch viel heller.
Seefedern gehören zu den Achtstrahligen Blumentieren (Octocorallia). Ihre Polypen haben immer acht gefiederte Tentakel. Sie unterscheiden sich von allen anderen Blumentieren dadurch, dass sie einen Primär- oder Axialpolypen besitzen, der aus zwei Teilen besteht: einem Fuß, der im Sand- oder Schlammboden eingegraben ist, und einem ins freie Wasser ragenden Teil, von dem die anderen Polypen abzweigen. Bei Irritationen können sie sich vollständig in ihren Fuß zurückziehen. Die Tiere sind bilateral symmetrisch und meist federförmig. Sie sind Filtrierer und ernähren sich von kleinstem Plankton. Einige Arten können biologisch erzeugtes Licht ausstrahlen (Biolumineszenz).
Die Gruppe der Seefedern stellt innerhalb der Blumentiere eine außerordentlich hoch entwickelte Organisationsstufe dar. Die Polypen sind untereinander durch ein sehr einfaches Nervensystem verbunden und reagieren bei äußeren Einflüssen deshalb auch wie ein einziges Tier. Ähnlich wie die Tote Meerhand wechseln Phasen der Polypenkontraktion mit denen der Expansion. Im Dunkeln leuchten die Kolonien häufig und locken so Planktonorganismen an, die sie mit ihren kleinen Tentakelköpfen wegfangen und verschlingen. Die Kolonien sind getrenntgeschlechtlich und die Geschlechtsprodukte werden ins freie Wasser abgegeben, wo dann die Befruchtung stattfindet. Aus dem befruchteten Ei bildet sich eine Planulalarve, die zum Bodenleben übergeht und zu einem Primärpolypen auswächst. Aus diesem einzelnen Tier entsteht durch Knospung eine ganze Kolonie. Bisher ist nur bei der Art Pennatula prolifera eine ungeschlechtliche Vermehrung bekannt. Bei dieser Art schnürt sich der obere Teil des Stockes ab und bildet eine neue Kolonie.
Runde Seefeder (Veretillum cynomorium)
Seefeder (Virgularia sp.)
Renilla reniformis
ist eine zur Ordnung der Seefedern gehörende Oktokorallenart. Sie besitzt ein blattförmiges Aussehen und ist fähig zur Biolumineszenz.
Blaue Koralle
(Heliopora coerulea)
Die Blaue Koralle (Heliopora coerulea) lebt in Korallenriffen des Indopazifik, sieht aus wie eine Steinkoralle, ist jedoch die letzte Überlebende einer Gruppe der Octocorallia, die zuerst nur fossil bekannt war. Sehr ähnliche Formen mit einem Alter von 100 Millionen Jahren sind seit der Kreide von den Küsten der Tethys aus Europa, Afrika und Indien bekannt. Sie ist eine von zwei Arten der Octocorallia, die ein massives Skelett aus Calciumcarbonat bildet. Die Blaue Koralle kommt im Indopazifik, nur in Regionen vor, die ständig eine Temperatur von 22 °C oder mehr haben.
Die Kolonien können mächtige Blöcke mit plattenartigen Verzweigungen, einer Höhe von einem halben Meter und einem Durchmesser von sieben Metern bilden. Erreichen die Blöcke die Wasseroberfläche, so stirbt das trocken fallende Gewebe ab und es bilden sich Mikroatolle.
Außen sind die Kolonien von brauner Farbe, das Skelett ist aufgrund von verschiedenen Eisensalzen blau gefärbt. Die Polypen der Blauen Koralle sind klein, nur einen Millimeter groß und haben wie alle Octocorallia acht gefiederte Tentakel. Das Skelett wird nicht, wie bei anderen Octocorallia durch Sklerite gebildet, die dann miteinander verbunden werden, sondern durch Fasern aus Aragonit, die zu dünnen Plättchen verschmelzen. Die Polypen sitzen in Nischen im Skelett, sind durch Stolonen miteinander verbunden und kapseln die Nischen mit dem weiteren Skelettwachstum durch Querwände nach unten ab. Neben den Polypennischen gibt es noch kleinere, porenartige Nischen, in die das Stolonengewebe wurzelartig nach unten hineinwächst. Das lebende Gewebe bildet nur eine sehr dünne Schicht auf dem Aragonitskelett.
Die Blaue Koralle lebt in einer Symbiose mit Zooxanthellen, kleinen, einzelligen Algen aus der Gruppe der Dinoflagellaten, die die Koralle mit Nährstoffen versorgen.
Systematik
Traditionell wird die Blaue Koralle wegen ihrer Einzigartigkeit in eine eigene Ordnung, die Helioporacea gestellt. Phylogenetisch ist sie die Schwesterart einer Klade aus den Seefedern (Pennatulacea) und der Gorgonienfamilie Ellisellidae. Die von diesen drei Taxa gebildete Klade ist die Schwestergruppe der Calcaxonia, eine Unterordnung gorgonienähnlicher Korallen.[1] Im Januar 2019 wurde eine zweite rezente Heliopora-Art beschrieben. Heliopora hiberniana-Kolonien sind feiner verzweigt und haben ein weißes oder weißlich-blaues Skelett.
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