Nesseltiere (Cnidaria)

Die Nesseltiere sind einfach gebaute, vielzellige Tiere, die durch den Besitz von Nesselkapseln gekennzeichnet sind und die Küsten, den Grund und das offene Wasser der Weltmeere und einige Süßgewässer bewohnen. 

Bekannte Untergruppen sind Schirm- und Würfelquallen, die sessilen Blumentiere mit den Seeanemonen, Stein- und Weichkorallen sowie die vielgestaltigen Hydrozoen, zu denen auch die Staatsquallen und der in Bächen und Flüssen in Mitteleuropa heimische Süßwasserpolyp gehören. Sie umfassen derzeit über 11 000 rezente Arten. Einige Nesseltiere (z. B. Polypodium hydriforme und die Myxozoa) sind Parasiten

Auf dem Bild:
Gelbe Haarqualle (Cyanea capillata)
aus der Ordnung der Fahnenquallen (Semaeostomeae). Sie ist auch unter dem Namen Gelbe Nesselqualle bekannt und wird von Küstenbewohnern meist umgangssprachlich als „Feuerqualle“ oder Löwenmähne bezeichnet.

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Die Mangrovenqualle (Cassiopea andromeda) aus der Klasse der Schirmquallen, lebt, untypisch für Quallen, überwiegend sesshaft auf dem flachen Meeresgrund, mit der Unterseite nach oben gekehrt.

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Mittelmeer-Zylinderrosen (Cerianthus membranaceus).
Die Zylinderrosen (Ceriantharia) sind eine Ordnung aus der Klasse der Blumentiere (Anthozoa), die ausschließlich solitär lebende Vertreter umfasst. Sie leben weltweit sowohl in tropischen wie auch gemäßigten Meeren in 1 bis 50 Meter Tiefe. Derzeit sind etwa 100 Arten beschrieben.

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Hydra vulgaris, eine Süßwasserpolypenart aus der Klasse der Hydrozoen

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Filigrankoralle (Stylaster sp.)
Die Familie der Filigrankorallen (Stylasteridae) gehört nicht, wie man vermuten möchte, zu den Blumentieren, sondern zur Klasse der Hydrozoen.
Die Hydrozoen sind die wohl vielgestaltigste Gruppe der Nesseltiere.

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Portugiesische Galeere (Physalia physalis)
Auch die Portugiesische Galeere gehört in die Ordnung der Staatsquallen und ist ebenfalls eine Vertreterin der Hydrozoen.

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Seefeder (Virgularia sp.)
Die Seefedern (Pennatulacea) sind eine Ordnung der Blumentiere (Anthozoa), welche die Sand- und Schlickböden in allen Weltmeeren besiedeln. Sie leben meist in größeren Tiefen, nur in den Tropen auch im Flachwasser. 

Aufbau

Nesseltiere besitzen als Gewebetiere echtes Gewebe und Organe. Sie sind ihrem vielfach variierten Grundbauplan nach radiärsymmetrisch gebaut und bestehen aus zwei Zellschichten, der äußeren Epidermis oder Ectodermis und der inneren Gastrodermis oder Entodermis. Dazwischen befindet sich die Mesogloea.
Die Gastrodermis umfasst den „Magen“ der Nesseltiere, den sogenannten Gastralraum (Gastrovaskularraum). Er besitzt nur eine einzige Öffnung, durch die nicht nur die Nahrung aufgenommen, sondern Abfallprodukte auch wieder ausgeschieden werden. Gleichzeitig dient er neben der Mesogloea als hydrostatisches Stützskelett. Feste Hartskelette kommen dagegen nur bei Polypen vor, die dazu gezielt Kalk ablagern (z. B. Octocorallia).
Ein echtes Blutgefäßsystem ist bei den Nesseltieren nicht vorhanden. Der Gasaustausch erfolgt durch Diffusion, daneben spielt sowohl für die Vorverarbeitung und gleichzeitig für die Verteilung von Nährstoffen und den Abtransport von Stoffwechselendprodukten das sogenannte Gastrovaskularsystem eine Rolle: Dies umfasst den zentralen Hohlraum, den Gastralraum sowie dessen Ausläufer in die Tentakel der Polypen. Das Gastrovaskularsystem übernimmt damit zweierlei Funktionen, Verdauung und Stofftransport. Nahrungspartikel werden in erster Linie von den Nährmuskelzellen des Gastroderms aufgenommen.
Die Nesseltiere besitzen echte Nervenzellen, die ein diffuses Netz bilden, welches nur eine geringe Zentralisierung zeigt. Nervenzellkonzentrationen liegen bei Polypen im Mundfeld (Hypostom), an den Tentakeln und am Fußstiel (Pedunculus), bei den Quallen findet sich häufig ein Nervenring um den Schirm. Auch eine spezialisierte Signaltransportrichtung hat sich vielfach noch nicht herausgebildet. Die Verschaltung der Nerven über sogenannte „gap junctions“ erlaubt jedoch einigen Arten eine hohe Geschwindigkeit bei der Erregungsleitung, eine Vielzahl von Neuropeptiden erlaubt die Modulation von Erregungen. Lange wurde angenommen, dass Cnidarier zu den sogenannten Diploblasten, den zweikeimblättrigen Tieren gehören. Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Cnidarier neben dem Ekto- und Entoderm auch ein Mesoderm zu besitzen scheinen. Aus dem Mesoderm entwickelt sich unter anderem die Muskulatur der Medusen.

Polypen und Medusen

Die zwei wichtigsten Formentypen der Nesseltiere sind Polyp und Meduse, die als unterschiedliche Lebensstadien bei ein und derselben Art auftreten können. Einige Nesseltiergruppen, wie z.B. Hydrozoen oder Korallen und andere Blumentiere durchlaufen kein Medusenstadium.

Medusen

Die Medusen, auch als Quallen bekannt, haben ein hut- oder glockenförmiges Aussehen und schwimmen meist passiv in den Meeresströmungen mit. Ihre Tentakel hängen frei nach unten. Durch koordinierte Muskelkontraktionen gegen das im Gastralraum enthaltene Wasser können sie sich allerdings auch aktiv fortbewegen – sie nutzen dabei das Rückstoßprinzip.

Grafik unten:
Anatomie einer Meduse, am Beispiel einer Schirmqualle.

Größen von Nesseltieren

Nesseltiere zeigen ein breites Größenspektrum: Die meisten Arten sind nur wenige Millimeter klein, manche noch kleiner. Auf der anderen Seite können Cyanea-Quallen einen Durchmesser von zwei Metern umfassen und Polypen der Gattung Branchiocerianthus eine ebensolche Länge erreichen. Bei manchen Arten werden die Tentakel bis zu dreißig Meter lang.

Auf dem Bild:
Nemopilema nomurai, auch Nomura-Qualle genannt, ist eine sehr große Quallen-Art. Sie erreicht einen Schirm-Durchmesser von bis zu zwei Metern und ein Gewicht von bis zu 200 Kilogramm. Ihre Tentakel können bis zu 5 Meter lang werden.

Die Grafik zeigt:
Größenvergleich einer Nomura-Qualle mit einem Taucher 

Polypen

Polypen sind durch die sogenannte Basalscheibe fest auf einem Substrat verankert, obwohl einige Arten sich auch in kuriosen Zeitlupen-Salti fortbewegen können. Naturgemäß zeigen ihre Tentakel nach oben, vom Substrat weg. Polypen treten oft in großen Kolonien auf. Zusammenfassend besteht ein Polyp aus: Fußscheibe, (das proximale, aborale) Körperende, aus einem Stiel, dem sog. Scapus und dem Mundfeld (Peristom) mit der einzigen Körperöffnung, die umgeben von Fangtentakeln ist. Innerhalb der 4 Gruppen gibt es charakteristische Unterschiede hinsichtlich der Septen, die den Gastralraum in einzelne Gastraltaschen aufgliedern. Vergleichsweise einfach sind Cubozoa und Hydrozoa aufgebaut, denen diese Septen fehlen.
Die Medusen lassen sich ohne Probleme aus den Polypen herleiten, indem Fußscheibe und Scapus zur Oberseite, der Exumbrella, und das Mundfeld zur Unterseite, der Subumbrella, werden.

Grafik oben:
Aufbau von Korallen-Polypen, anhand einer zooxanthellaten Steinkoralle

Nesselzellen

Das namensgebende Merkmal der Nesseltiere (Cnidaria) ist ein spezialisierter Zelltyp, die Nesselzelle (Cnidocyte). Zellen dieses Typs befinden sich auf den um die Mundöffnung herum angeordneten Tentakeln und enthalten die charakteristischen Nesselkapseln (Cniden oder Cnidocysten). Diese enthalten einen spiralig aufgewickelten Nesselfaden. Alle Nesseltiere besitzen Nesselzellen. Die Nesselzellen, auch als Nematocyten oder Cnidocyten bezeichnet, sind in der äußeren Schicht (Epidermis) der Tiere eingebettet und können zum Beutefang oder zur Abwehr von Feinden oder Konkurrenten eingesetzt werden. Bei Reizung wird ein Nesselschlauch ausgeschleudert, der häufig ein hochwirksames Gift in das Opfer injiziert. Obwohl sie bei Menschen in der Regel nur Reizungen der Haut und leichtere Verbrennungen auslösen, sind die Nesselgifte einiger Arten so wirksam, dass sie zum Zusammenbruch des Herz-Kreislauf-Systems und somit zum Tode führen können. 

Auf dem Bild unten:

 Lichtmikroskopische Aufnahme von Nematocyten,
die von Tentakeln von Chironex fleckeri isoliert wurden 
(400fache Vergrößerung)

Interstitielle Zellen 

Ein weiterer wichtiger Zelltyp sind die interstitiellen Zellen (auch i-Zellen genannt). Dies sind pluripotente Zellen, was bedeutet, dass sie sich in andere Zelltypen wie Geschlechtszellen, Drüsenzellen oder Nervenzellen, allerdings nicht in Epithelmuskelzellen oder Nährmuskelzellen verwandeln können. Letztere beiden Zelltypen können nur aus ihresgleichen hervorgehen. Viele Nesseltiere haben dank dieses Systems eine enorme Regenerationsfähigkeit. Insbesondere die Süßwasserpolypen der Gattung Hydra dienen in der Forschung als Modelle für Musterbildungsprozesse. Interstitielle Zellen sind auf die Hydrozoen beschränkt und fehlen bei den anderen Cnidaria.

Verbreitung und Lebensraum

Nesseltiere finden sich weltweit in allen Meeren, seltener auch im Süßwasser. Viele bewohnen als Quallen das offene Wasser und sind, auch durch die verschiedenen Larvenstadien, ein bedeutender Teil des Zooplanktons. An den Küsten dominieren häufig sessile, meist kolonial lebende Nesseltiere die Hartböden und schufen mit den tropischen Korallenriffen einen der artenreichsten und produktivsten Lebensräume der Erde. Mit den Seefedern gehört zu ihnen auch eine Gruppe, die sich auf weiche und schlammige Meeresböden spezialisiert hat und auch die Tiefsee, sowie das Südpolarmeer bewohnt.

Auf dem Bild:
Die Edelkoralle (Corallium rubrum) lebt in Höhlen im Mittelmeer.

Ernährung

Die meisten Nesseltiere ernähren sich von Beutetieren, die mit ihren Tentakeln in Berührung gekommen sind. Dies sind vor allem Tiere des Zooplanktons, wie Protisten, diverse Würmer, Krebse und andere Quallen. Größere Nesseltiere überwältigen auch größere Beute wie Fische. Weichkorallen und Gorgonien fangen auch Phytoplankton.
Manche Gruppen, darunter die meisten Stein-, aber auch viele Weichkorallen, Gorgonien, Seeanemonen und Feuerkorallen leben symbiotisch mit Photosynthese betreibenden Algen, den Zooxanthellen zusammen, meist Dinoflagellaten (Dinoflagellata), manchmal aber auch Grünalgen (Chlorophyta). Diese nehmen von ihren Nesseltierpartnern produziertes Kohlendioxid auf und produzieren unter Ausnutzung des Sonnenlichts und unter Abgabe von Sauerstoff die energiehaltigen Kohlenhydrate, die den Nesseltieren als Hauptnahrung dienen.

Auf dem Bild:
Zum Nahrungsfang geöffnete Polypen einer Gorgonie

Fortpflanzung

Weit verbreitet bei den Nesseltieren ist die ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Knospung. In den Klassen der Blumentiere (Anthozoa) und der Hydrozoen (Hydrozoa) ist sie besonders weit verbreitet. Dabei trennt sich vom erwachsenen Polypen seitlich eine ungeschlechtliche Larve, die sogenannte Schwimmknospe ab, die sich zum Polypen fortentwickelt. Oft ist die Knospung unvollständig, sodass physisch miteinander verbundene Kolonien, von  genetisch identischen Polypen entstehen.

Allerdings können sich die Nesseltiere auch geschlechtlich fortpflanzen. Ein charakteristisches Merkmal ist hier der sogenannte Generationswechsel, der bei Tieren sonst nicht so häufig wie bei Pflanzen, Pilzen oder Protisten anzutreffen ist. Dabei wechseln Generationen, die sich ungeschlechtlich fortpflanzen, und sich geschlechtlich fortpflanzende Generationen einander ab. Diese Art des Generationswechsels wird als Metagenese bezeichnet.

Der erwachsene Polyp bildet auf ungeschlechtlichem Wege männliche oder weibliche Quallen.

Es gibt drei prinzipielle ungeschlechtliche Vorgänge: 
 

  • Knospung:
    Findet sich besonders häufig in den Klassen der Blumentiere und der Hydrozoen.
  • Strobilation:
    Ein Vorgang, bei dem Quallen scheibenweise am oberen (oralen) Ende des Polypen abgeschnürt werden, ist dagegen für Schirmquallen charakteristisch.
  • Metamorphose:
    Schließlich findet man auch die komplette Umwandlung  des Polypen zur Quallenform – bei Würfelquallen.


Die, so gebildeten männlichen oder weiblichen Quallen entwickeln sich zunächst zur Geschlechtsreife. Dann werden die männlichen und weiblichen Gameten freigesetzt, die sich jeweils zur Zygote vereinigen. Diese entwickelt sich durch Zellteilung zunächst zu einer kugelförmigen Struktur, der so genannten Blastula, aus der dann die Planula genannte Larve entsteht. Diese ist begeißelt und schwimmt so lange, bis sie auf ein festes Substrat trifft, auf dem sie sich verankert und dann eine Verwandlung (Metamorphose) zum Polypenstadium durchläuft.

Dieses Schema ist in den fünf Nesseltier-Klassen mannigfaltig variiert und abgewandelt. So verbleiben bei vielen Hydrozoen die Quallen in reduzierter Form am Polypen, welcher damit so genannte Gonophoren hat. Einige Hydrozoen, wie die Süßwasserpolypen (Hydra) haben überhaupt kein Quallenstadium. Stattdessen bildet der Polyp selbst männliche oder weibliche Keimzellen. Die Würfelquallen wiederum haben das Polypenstadium reduziert. Bei den Blumentieren gibt es kein Quallenstadium.

Riffbildung

Große ökologische Bedeutung haben Korallenriffe, die von einer Untergruppe der Nesseltiere, den skelettbildenden Steinkorallen, aufgebaut werden. Diese Riffe treten in zwei ökologischen Bereichen auf: Zum einen als Tiefwasserriffe in kaltem Wasser ab 60 Metern Tiefe, so zum Beispiel entlang des europäischen Kontinentalhangs, zum anderen als Flachwasserriffe in warmen Meeren mit Wassertemperaturen über 20 °C. Wichtig für deren Riffbildung sind die bereits angesprochenen endosymbiotischen Algenpartner, die Zooxanthellen.
Aufgrund der notwendigen Sonneneinstrahlung gibt es Korallenriffe als Flachwasserrriffe nur in tropischen Gewässern. Die Korallenpolypen scheiden dort neben anderen Tieren wie bestimmten Röhrenwürmern, aber auch diversen Rotalgen oder Grünalgen, Kalk (Calciumcarbonat) als Außen- oder Exoskelett ab, der sich mit der Zeit zu wahren Gebirgen auftürmen kann. Sobald die Lichtausbeute zu gering wird – dies ist auf jeden Fall ab einer Wassertiefe von 60 Metern der Fall – sterben die Korallen ab, auf ihren Skeletten haben sich dann schon die nachfolgenden Generationen festgesetzt. Auf diese Weise können Korallenriffe bei langsam steigendem Meeresspiegel in die Höhe wachsen.

Auf dem Bild:
Verschiedene riffbildende Steinkorallen aus der Gattung Acropora.


Korallenriffe sind sehr artenreiche Ökosysteme, die durch die Beeinflussung von Meeresströmungen auch globale Auswirkungen haben. Sie sind von einer Vielzahl von Organismen, Schwämmen, diversen Würmern, Fischen, aber auch Algen und verschiedenen Protisten bewohnt.
In erdgeschichtlicher Zeit haben sich zahlreiche Gesteinsformationen aus dem unter anderem von Korallen abgelagerten Kalkstein gebildet: So gehen beispielsweise die reichen Vorkommen der Eifel und des Bergischen Landes auf Hunderte Millionen Jahre alte devonische Korallenriffe zurück. Jüngeren Datums sind die Bermuda-Inseln und die Bahamas, aber auch zahlreiche pazifische Inselgruppen, die auf Korallenriffe zurückgehen.

Nesseltiere als Fossilien

Nesseltiere sind eine sehr alte Tiergruppe. Schon in der so genannten Ediacara-Fauna des späten Proterozoikums vor etwa 550 Millionen Jahren sind sie vertreten und gehören damit zu den ersten bekannten Tierfossilien überhaupt. Die Kenntnis fossiler Gruppen ist je nach Untergruppe allerdings sehr unterschiedlich: Während sich aus weichem Gewebe bestehende Quallen nur in extremen Ausnahmefällen erhalten haben, ist beispielsweise die stammesgeschichtliche Entwicklung der Korallen durch die von ihnen hinterlassenen harten Kalkskelette fossil sehr gut bekannt. Die ersten Korallenriffe stammen demnach aus dem erdgeschichtlichen Zeitalter des frühen Ordoviziums vor etwa 500 Millionen Jahren, die damaligen Formen unterschieden sich aber noch deutlich von den heutigen Korallen, die erst nach dem großen Massenaussterben am Ende des Perm vor 240 Millionen Jahren etwa in der Mitte der Trias vor etwa 220 Millionen Jahren das erste Mal auftreten.

Auf dem Bild:
Älteste, allgemein anerkannte fossile Würfelqualle
(Anthracomedusa turnbulli
aus der Mazon Creek Lagerstätte, Illinois, USA.
Das Fossil stammt aus dem Mittleren Pennsylvanium 
(Alter: über 300 Millionen Jahre)

Nesseltiere und der Mensch

Nesseltiere haben Menschen zunächst einmal dadurch beeinflusst, dass letztere auf ihnen leben: Wie bereits erwähnt gehen eine ganze Reihe von Inseln auf abgestorbene Nesseltierskelette zurück. Der von ihnen hinterlassene Kalkstein wird an vielen Stellen kommerziell abgebaut. Aus besonderen, insbesondere bunt gefärbten Korallen werden darüber hinaus seit vorgeschichtlicher Zeit Schmuckstücke gefertigt.

Auf dem Bild:
Exponate zum Thema "Schmuck aus Korallen" im Haus der Natur (Salzburg)

Andererseits kommen insbesondere an der Nordküste Australiens regelmäßig Menschen durch Kontakt mit den Nesselzellen hochgiftiger Quallen zu Tode oder werden durch ihr Nervengift lebenslang geschädigt. Auch die in der Nordsee vorkommenden Quallen können zu äußerst schmerzhaften Hautverletzungen führen.

Informationstafel in Airlie Beach (Australien) u.a. zu giftigen "Irukandji"-Quallen, Chironex fleckeri, Morbakka fenneri oder Carukia barnesi, sowie auch zur Portugiesischen Galeere (Physalia physalis) und der Behandlung von gestochenen Personen.

Warnschild vor Quallen („Marine Stingers“) im Wasser (in Queensland / Australien) – rechts daneben (im Rohr) liegt Essig zur Erst-Behandlung bereit
Manche Medizinische Ratgeber empfehlen außerdem, die Stiche in keinem Fall mit Essig oder Süßwasser auszuwaschen, andere Quellen empfehlen Essig zur Beruhigung der Haut. In jedem Fall wird empfohlen mit Salzwasser die Überreste der Tentakel vorsichtig zu entfernen. Dabei sollten die Tentakel nicht berührt werden, weil sie weiter nesseln können. Heißes Wasser über 45 °C lässt die Eiweiße des Gifts denaturieren. Behandelt wird mit Zinkgluconat.

Quallen-Warnschild am Mittelmeer nach dem Auftreten von Portugiesischen Galeeren (Physalia physalis).

Das Bild zeigt:
Carukia barnesi in einem Reagenzglas
 

Carukia barnesi, auch Irukandji genannt, ist eine Art der Klasse der Würfelquallen (Cubozoa) innerhalb der Nesseltiere (Cnidaria). Sie kommt hauptsächlich in den australischen Küstengewässern, insbesondere vor Queensland und dem Northern Territory vor. Diese Quallenart wurde vom australischen Arzt Jack Barnes 1961 entdeckt und nach ihm benannt. Das Nesselgift dieser Art kann beim Menschen das äußerst schmerzhafte Irukandji-Syndrom auslösen.
Das Irukandji-Syndrom ist eine Vergiftung des menschlichen Organismus durch Nesselgifte einer kleinen Gruppe von Würfelquallen (Cubozoa). Die Vergiftung ist durch schwere Rücken-, Brust- und Bauchschmerzen, Brechreiz und Erbrechen, Kopfschmerzen und in schweren Fällen durch Lungenödeme gekennzeichnet. Es ist meist äußerst schmerzhaft, verläuft jedoch selten tödlich.

Auf dem Bild:
Badende mit Spiegeleiqualle (Cotylorhiza tuberculata) und Rippenquallen im Mittelmeer. Spiegeleiquallen haben nur ein schwaches Nesselgift und sind für den Menschen harmlos.

Umgekehrt wirkt sich die Ausbreitung des menschlichen Tourismus oft sehr negativ auf die den Nesseltieren zugehörigen Korallen aus. Das global zu beobachtende Korallensterben gilt unter Riffbiologen als äußerst bedenklich, da Korallen Schlüsselorganismen sind, deren Tod oft das Absterben des ganzen reichhaltigen Ökosystems nach sich zieht. Neben der Einleitung von nitratbelasteten Abwässern ist hier unter anderem die Cyanidfischerei zu nennen, die in kurzer Zeit weiträumige Lebensräume vernichten kann. Eine weitere Gefahr für Korallen sind die infolge des Klimawandels steigenden Wassertemperaturen: Überschreiten sie eine kritische Grenze, stoßen die Korallen oft ihre symbiotischen Algenpartner (Zooxanthellen) ab und bleichen damit aus. Nach dieser Korallenbleiche können die Korallen nur schwer allein überleben. Kehren die Zooxanthellen über einen langen Zeitraum nicht zurück, sterben die Korallen ab. 

Auf dem Bild:
Nach Korallenbleiche, durch zu hohe Wassertemperaturen, abgestorbene Steinkoralle.

Nutzung von Nesseltieren

In Japan und Südostasien werden Wurzelmundquallen, vor allem die Art Rhopilema esculenta gegessen.
Die Fischerei erfolgt tagsüber mit Netzen, besonders oft Stellnetzen. Die wichtigsten Produzenten sind China, die Philippinen, Vietnam, Thailand, Malaysia, Indonesien und Myanmar. Die wichtigsten Konsumenten sind Japan und China. Für Handel und Transport wird der Mundstiel mit den Tentakeln entfernt und der Schirm durch Einlegen in Salz entwässert. Sie verlieren dabei mehr als 90 Prozent ihres Frischgewichts. Vor der Zubereitung werden sie über Nacht gewässert. Die jährliche Ernte wird auf etwa 321.000 Tonnen Frischgewicht pro Jahr geschätzt

Auf dem Bild:
Vorspeise Quallenstreifen in Sojasauce, Sesamöl und Chilisauce

In manchen Gegenden des Mittelmeers wird eine Seeanemone, nämlich die Wachsrose (Anemonia viridis) als frittierte, rohe oder gebratene Speise zubereitet. Vor allem in den Küstengebieten von der Provinz Cadiz, im Ebro-Delta und auf Menorca werden Speisen, die die Wachsrose enthalten, zubereitet.
Die auffällige Färbung im Lebendzustand verlieren Wachsrosen recht schnell und nehmen bei der Zubereitung rostige Farben an. Bei der Zubereitung werden sie gespült, in Fischbratmehl gebadet und mit Olivenöl gebraten. Kleine Tentakel lassen sich ganz zubereiten, während größere Tentakel zuerst zerkleinert werden.
Die geringe Lagerkapazität von Wachsrosen führt dazu, dass man dieses Gericht fast ausschließlich in Küstennähe finden kann. Dort wird es normalerweise als Tapa zu anderem gebratenen Fisch serviert. Das Aroma ist sehr marin. In Italien wird es mit Olivenöl mariniert und goldbraun gebraten.
Aufgrund der Fähigkeit zu nesseln werden Wachsrosen über eine längere Zeit zubereitet. Das Nesselvermögen geht durch Frittieren verloren.

Auf dem Bild:
Frittierte Wachsrosen

Aquarienhaltung von Nesseltieren

Einige Nesseltier-Gruppen werden häufig in Meerwasser-Aquarien gehalten. Allen voran natürlich die Blumentiere und hier wiederum vor allem Weichkorallen, Steinkorallen und Seeanemonen, sowie Krusten- und Scheibenanemonen. Auch einige Quallenarten werden in speziellen Aquarien, den so genannten Quallenkreiseln gehalten. Die Süßwasserpolypen der Gattung Hydra sind hin und wieder in Süßwasseraquarien anzutreffen und gelten, aufgrund ihrer Nesselkraft als ausgesprochene Schädlinge, ähnlich wie die Glasrosen (Aiptasia) in der Meerwasser-Aquaristik.

Auf dem Bild:
Tropisches Meerwasser-Aquarium mit verschiedenen Stein- und Weichkorallen

Auf dem Bild:
Großer Quallenkreisel in einem japanischen Aquarium.

Systematik der Nesseltiere

Die Nesseltiere bilden in der klassischen Systematik einen Stamm innerhalb der Gewebetiere (Eumetazoa) und wurden traditionell zusammen mit den Rippenquallen (Ctenophora) zur Gruppe der Hohltiere (Coelenterata) vereinigt.
Aus Sicht der heute vorherrschenden Systematik, der Kladistik, ist diese Gruppe allerdings vermutlich paraphyletisch, das heißt, sie umfasst nicht alle Nachkommen ihres letzten gemeinsamen Vorfahren: Trotz der äußeren Ähnlichkeit der beiden Taxa, die sich unter anderem in der beiden Gruppen eigenen radialsymmetrischen Körperstruktur bemerkbar macht, sind die Rippenquallen wahrscheinlich nicht näher mit den Nesseltieren verwandt, eine Theorie sieht sie als nächste Verwandte der zweiseitig-symmetrisch aufgebauten Bilateria, ihre tatsächliche Stellung im System ist aber noch ungeklärt. Aus kladistischer Sicht bilden die Hohltiere daher eine künstliche Gruppe.

Die Klassen der Nesseltiere:

  • Blumentiere (Anthozoa)
  • Stielquallen (Staurozoa)
  • Würfelquallen (Cubozoa)  
  • Schirmquallen (Scyphozoa)
  • Hydrozoen (Hydrozoa)


Blumentiere
(Anthozoa) 

Die Blumentiere umfassen ungefähr 7500 Arten, darunter die Seeanemonen, die Stein- und Oktokorallen. Ein Medusenstadium ist in dieser Klasse unbekannt.

Auf dem Bild:
Verschiedene Blumentiere:
Weichkorallen (Dendronephthya) und Steinkorallen (Tubastraea),
Unterwasser-Aufnahme aus Myanmar.


Weitere Informationen zu den Blumentieren:

Stielquallen 
(Staurozoa) 

Die Stielquallen sind sessile Quallen mit einem polypenartigen Stiel. Es gibt etwa 50 Arten.

Auf den Bildern:
Becherqualle (Haliclystus octoradiatus
von verschiedenen Seiten aufgenommen.
 

Weitere Informationen zu den Stielquallen:

Würfelquallen
(Cubozoa) 

Die Würfelquallen umfassen etwa 50 Arten. Zu ihnen zählen unter anderem die als Seewespen bezeichneten Arten Chironex fleckeri und Chiropsalmus quadrigatus, die über ein hochpotentes Gift verfügen.

Auf dem Bild:
Chironex yamaguchii ist eine Art der Würfelquallen (Cubozoa) aus der Familie der Chirodropidae. Die Art ist sehr giftig und kann beim Menschen tödliche Vergiftungen auslösen. Das Artepitheton ehrt Prof. Masashi Yamaguchi, der viel zum Verständnis der Japanischen Würfelquallen und zur Frühontogenie von Chironex fleckeri beitrug.
Das Bild zeigt Chironex yamaguchii, im Aquarium von Enoshima, Japan.
 

Weitere Informationen zu den Würfelquallen: 

Schirmquallen
(Scyphozoa) 

Zu den Schirmquallen (Scyphozoa) gehören etwa 200 Arten, die meist als Medusen auftreten.

Auf dem Bild:
Die Kompassqualle (Chrysaora hysoscella) ist eine im Atlantik, im Mittelmeer, der Nordsee und im Kattegat vorkommende Schirmquallenart. Sie hat einen Schirmdurchmesser von etwa 25 bis 30 cm (maximal 35 cm) und ist durch die charakteristische Zeichnung mit radiär angeordneten und an eine Kompassrose erinnernden gelbbraunen, orangen, roten oder dunkelbraunen Bändern gut zu erkennen. Die Enden der Tentakel, die oft auch fehlen, sind spiralförmig aufgewickelt und besitzen Nesselzellen, die durch ihr Nesselgift bei Menschen Hautreizungen und Irritationen, wozu auch Kreislaufbeschwerden u. ä. zählen, hervorrufen können.
 

Weitere Informationen zu den Schirmquallen: 

Hydrozoen
(Hydrozoa) 

Die Hydrozoen (Hydrozoa) sind die vielgestaltigste Gruppe und enthalten etwa 3500 Arten. Das Spektrum reicht hier von vielen quallenartigen Formen über die Staatsquallen, die sessilen Nesselfarne, die tropischen Feuer- und Filigrankorallen bis zu den Bäumchenpolypen (Sertularia), die auch in der Nordsee vorkommen. Auch die Süßwasserquallen zählen zu den Hydrozoen. Die Hydrozoa zeigen häufig einen Generationswechsel zwischen Medusen- und Polypform.

Auf dem Bild:
Grüne Hydra (Hydra viridissima), eine Süßwasserpolypenart. 

Weitere Informationen zu den Hydrozoen:

Parasitäre Nesseltiere

Keiner Klasse zugeordnet werden die parasitischen Myxozoa und Polypodium hydriforme, welche die Schwestergruppe der Medusozoa, also der Quallen bildenden Gattungen der Nesseltiere, darstellen.

Bild A und B:
Polypodium hydriforme
links: Stolon, rechts: frei lebendes Stadium mit Tentakeln.
Polypodium hydriforme ist ein Parasit, der den größten Teil seines Lebens in den Oozyten von Fischen aus der Ordnung der Störartigen (Acipenseriformes) verbringt. Das Adultstadium lebt frei im Süßwasser. 


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