Steinkorallen (Scleractinia)
Bild oben:
Illustration aus dem Jahre 1893,
Korallen des Great Barrier Reefs von William Saville-Kent (1845-1908).
Abb. 1: Seriatopora hystrix
Abb. 2: Stylopora palmata
Abb. 3: Pocillopoora damicornis
Abb. 4: Oculina fasciculata
Abb. 5: Echinopora horrida
Abb. 6: Echinopora rosularia
Abb. 7: Hydnophora rigida
Abb. 8: Hydnophora
Abb. 9-10: Merulina ampliata
Abb. 11: Lophoseris cristata
Abb. 12: Gydnophora microcona
Auf dem Bild:
Großer Korallenstock der Gattung Seriatopora im Haus der Natur (Salzburg)
Steinkorallen
Steinkorallen (Scleractinia, früher Madreporaria) sind Tiere, die den Hauptanteil an der Entstehung der Korallenriffe haben, der artenreichsten marinen Lebensräume auf der Erde. Die meist winzigen, sessilen Tiere haben die Fähigkeit, an ihrer Basis Kalk abzuscheiden, und bilden so Riffe und im Laufe der Jahrtausende gewaltige Riffstrukturen. Viele Inseln, z. B. die Bahamas und Bermudas im Atlantik, die Malediven im Indischen Ozean oder Tuvalu und Kiribati im Pazifik sind durch das allmähliche Wachstum von Steinkorallen gebildet worden. Bei der Kalkbildung hilft den meisten Steinkorallen eine Symbiose mit Zooxanthellen, kleinen, einzelligen Algen aus der Gruppe der Dinoflagellaten, die auch für die Ernährung der Korallen wichtig sind.
Alle Steinkorallen leben im Meer, die meisten in den Tropen. Sie sind sehr einfach gebaute Tiere und gehören, wie Quallen, zu den Nesseltieren (Cnidaria) und darin zu den Sechsstrahligen Blumentieren (Zoantharia). Ihre nächsten Verwandten sind die Seeanemonen (Actiniaria) und andere, weniger bekannte Gruppen. Mit den nicht riffbildenden Weichkorallen (Alcyonacea) sind sie nur entfernt, mit den ebenfalls riffbildenden Feuerkorallen (Milleporidae) nur sehr entfernt verwandt.
Steinkorallen der Gattung Acropora im Aquazoo – Löbbecke Museum in Düsseldorf
Hirnkoralle (Diploria labyrinthiformis) im Belize-Barrier-Reef
Verbreitung
Die Verbreitung der riffbildenden Steinkorallen wird durch die Lichtansprüche der Zooxanthellen geprägt. Außerdem sollte die Wassertemperatur 20 °C möglichst nicht unter- und 29 °C nicht überschreiten. Steinkorallen kommen deshalb überwiegend in flachen, lichtdurchfluteten, tropischen Küstengewässern vor. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich ungefähr auf einen Bereich zwischen 30° nördlicher und 30° südlicher Breite. Dabei gibt es zwei Verbreitungsschwerpunkte: Den tropischen Indopazifik, mit dem Zentrum in der Inselwelt Indonesiens, der Philippinen und Neuguineas, und die wesentlich weniger artenreiche Karibik.
Daneben gibt es aber auch Steinkorallen in gemäßigten und kalten Meeren sowie in der Tiefsee bis in 6000 Metern Tiefe. In europäischen Meeren gibt es Kaltwasserkorallen vor allem an der Küste Norwegens sowie am Kontinentalabhang unterhalb von 200 Metern.
Steinkorallen brauchen einen Salzgehalt von mindestens 2,7 % und fehlen in der Nähe von Flussmündungen und in brackisch geprägten Gewässern wie Lagunen und Nebenmeeren. Daneben verhindern Weichböden ihre Ansiedlung und trübes Wasser behindert ihr Wachstum.
Auf dem Bild:
Acropora latistella am Naturstandort
Merkmale
Steinkorallen sind meist Kolonien aus vielen Tausenden Einzelpolypen. Jeder Polyp ist ein einzelnes Tier und ein einzelner Polyp steht auch am Beginn der Koloniebildung. Wie bei allen Nesseltieren ist ein Steinkorallenpolyp becherförmig aufgebaut und wird von zwei Zellschichten gebildet, nämlich der Außenhaut, dem Ektoderm, und dem Entoderm, das den zentralen Gastralraum umgibt. Zwischen beiden Zellschichten liegt die Mesogloea, die frei bewegliche Zellen enthält und in der der Nährstofftransport innerhalb des Polypenkörpers stattfindet. Der Gastralraum wird von mindestens sechs Mesenterien oder Septen (Sarcosepten) genannten Scheidewänden unterteilt. Dadurch wird seine innere Oberfläche vergrößert. An den Mesenterien liegen die Keimdrüsen des Polypen. Anzahl und Aufbau der Septen sind wichtige Merkmale in der Steinkorallensystematik. Im Gastralraum verdaut der Polyp seine Nahrung. Er steht durch eine zentrale Mund- und Ausscheidungsöffnung mit dem Umgebungswasser in Verbindung. Die Mundöffnung wird von sechs oder einem Vielfachen von sechs, mit Nesselzellen versehenen, Tentakeln umgeben. Die Tentakeln können in einem oder mehreren Ringen angeordnet sein.
Die Polypen sitzen in einem Korallit (Korallenkelch) aus Aragonit, der in seiner Struktur die innere Anatomie des Polypenkörpers und der Septen in Form von Sklerosepten widerspiegelt und von der Fußscheibe des Polypen ausgeschieden wird. Die Sklerosepten werden bei vielen Arten durch einen Ringwall verbunden, der Theca genannt wird. Im Zentrum des Kelches befindet sich meist eine zentrale Kalksäule (Columella). Unterhalb der Polypen befinden sich Altkelche, die über waagerechte Zwischenplatten, die Tabulae, abgetrennt sind.
Bei den meisten Gattungen sind die Polypen durch ein das gesamte Korallenskelett überziehendes Gewebe miteinander verbunden, dem Coenenchym. So können sie Nahrungsstoffe austauschen und Reize weitergeben. Bei einigen großpolypigen, kolonialen Steinkorallen, wie Euphyllia paraancora, geht die Verbindung zwischen den Polypen im Laufe des Koloniewachstums verloren, und die Einzelpolypen sitzen dicht an dicht an den Enden eines ansonsten toten Skelettes.
Die Größe der Einzelpolypen liegt meist bei wenigen Millimetern bis einem Zentimeter, bei einzelstehenden Steinkorallen können sie allerdings wesentlich größer werden. Der Polyp von Cynarina lacrymalis erreicht mit Wasser aufgepumpt einen Durchmesser von 35 Zentimeter, die einer großen Seeanemone zu Verwechseln ähnliche Anemonen-Pilzkoralle (Heliofungia actiniformis) gar 50 Zentimeter, mit Tentakeln von bis zu 25 Zentimetern Länge.
Meerwasseraquarianer nennen die kleinpolypigen Arten SPS-Korallen (Small Polyp Scleractinia) und die großpolypigen Arten LPS-Korallen (Large Polyp Scleractinia).
Steinkorallen-Wachstum
Korallen wachsen, indem die Polypen einen neuen Koralliten auf ihrem alten bilden. Außerdem teilen sie sich und die neuen Einzelpolypen bilden einen neuen Korallenkelch. Es gibt die extratentakuläre Teilung, bei der der neue Polyp am Rand der Basis des Elternpolyps entspringt und sofort einen neuen Koralliten bildet. Eine andere Form ist die intratentakuläre Teilung, eine Form der Teilung, die innerhalb des Tentakelkranzes beginnt. Zunächst teilt sich die Mundöffnung. Die Mundscheide wird immer breiter, wobei die zwei Mundöffnungen auseinanderwandern. Schließlich teilt sich auch der Tentakelkranz. Als Zwischenstadium existiert ein Polyp, der zwei Mundöffnungen und zwei dicht nebeneinander sitzende Tentakelkränze hat. Die Teilung setzt sich dann von oben nach unten fort, erfasst als Nächstes den Gastralraum und ist erst abgeschlossen, wenn beide Polypen einen eigenen Koralliten auf dem alten gemeinsamen gebildet haben.
Steinkorallen können die unterschiedlichsten Wuchsformen haben. Koloniebildende Korallen können ast-, busch-, geweih-, tischförmig oder krustig wachsen. Andere ähneln Hirnen, Pilzen, Zungen oder Seeanemonen. Die letzten drei Wuchsformen kommen besonders bei solitären, d. h. nicht koloniebildenden Korallen vor. Arten mit unterschiedlicher Wuchsform können zur gleichen Familie, Arten mit ähnlicher Wuchsform zu unterschiedlichen Familien gehören.
Auf dem Bild:
Tischförmige Steinkorallen (Acropora).
Riffbildende Steinkorallen veranschaulichen eindrucksvoll, die Entstehung der Korallenriffe. Aufgenommen in Banda, Indonesien.
Auf dem Bild:
Riffbildende Steinkorallen im Flachwasser
Kalkbildung und Symbiose
Man unterscheidet hermatype (riffbildende) Steinkorallen, das ist die Mehrzahl, und ahermatype (nicht riffbildende) Arten. Hermatype Steinkorallen scheiden an ihrem Fuß ein Kalkskelett aus, das zu 98 bis 99,7 % aus Calciumcarbonat in der Modifikation Aragonit besteht. Sie nehmen im Meerwasser gelöste Calciumionen und Hydrogencarbonat-Ionen auf und fällen daraus Calciumcarbonatkristalle. Bei der Reaktion entsteht je ein Wasser- und Kohlenstoffdioxid-Molekül:
Ca2+ + 2 HCO3− ⟵→ CaCO3↓+ H2O + CO2↑
Auf dem Bild:
Querschnitt durch ein Korallenskelett
Da es sich hier um eine Gleichgewichtsreaktion handelt, kann der Prozess auch in die entgegengesetzte Richtung ablaufen. Das in Wasser gelöste CO2, das auch aus der Luft oder Atmung der Korallenpolypen stammt, reagiert sauer und würde das gebildete Calciumcarbonat wieder auflösen. Im tropischen Flachwasser lebenden Korallen hilft hierbei die Symbiose mit den Zooxanthellen, einzelligen Algen, die in der Haut der Korallenpolypen leben. Die Zooxanthellen betreiben Photosynthese und verbrauchen dabei das Kohlenstoffdioxid, das zusammen mit Sauerstoff zu Kohlenhydraten (Zucker) umgesetzt wird. Die gebildeten Nährstoffe kommen auch der Ernährung der Polypen zugute. Das Zusammenleben von Zooxanthelle und Koralle ist ein klassisches Beispiel für eine mutualistische Symbiose, da beide beteiligten Organismen davon deutliche Vorteile haben. Der Koralle wird es erleichtert, Kalk auszufällen, um ihr Kalkskelett aufzubauen und sie wird mit zusätzlicher Nahrung versorgt, während die Algen einen geschützten Lebensraum im Körper der Polypen besitzen. Steinkorallen, die mit Zooxanthellen zusammen leben (zooxanthelate Korallen), haben eine zehnmal höhere Kalkbildungsrate als Steinkorallen ohne symbiotische Algen (azooxanthelate Korallen). Die ein besonders poröses, ästiges Kalkskelett bildenden Acroporen erreichen Längenzuwächse von 16 bis 25 Zentimeter im Jahr. Die Masse des jährlich von Steinkorallen gebildeten Calciumcarbonat soll 900 Millionen Tonnen betragen.
Ernährung
Hermatypische, tropische Steinkorallen beziehen den Hauptteil der benötigten Nährstoffe von den Zooxanthellen. Sie können in gut beleuchteten Meerwasseraquarien völlig ohne Fütterung jahrelang überleben und dabei auch noch wachsen. In der Natur fangen sie jedoch, hauptsächlich in der Nacht, winzige Planktonorganismen, die nachts aus größeren Tiefen aufsteigen. Die tagsüber oft zusammengezogenen Polypen strecken dann ihre mit Nesselzellen besetzten Tentakel aus. Nicht mit Zooxanthellen in Symbiose lebende Steinkorallen wie die Kaltwasserkorallen oder in dunklen Höhlen und Felsspalten lebenden Gattungen wie Tubastraea sind vollständig auf den Nahrungsfang angewiesen. Außerdem können Korallen im Wasser gelöste organische Stoffe direkt durch die Haut aufnehmen.
Auf dem Bild:
Tropisches Meerwasseraquarium mit riffbildenden Steinkorallen.
Für solche Aquarien ist eine sehr leistungsfähige Beleuchtung nötig, da hier in der Regel fast ausschließlich Korallen gehalten werden, die den Großteil ihres Energiebedarfs von den, im Gewebe eingelagerten Zooxanthellen beziehen.
Konkurrenz und Aggression
Steinkorallen konkurrieren mit anderen sessilen Lebewesen wie Schwämmen und Manteltieren um den Platz zum Wachsen. Untereinander sowie mit zooxanthellen Weichkorallen, Feuerkorallen und Algen stehen sie im Wettbewerb um Licht. Ein schnelles Wachstum, wie sie vor allem die meist ästigen oder buschförmigen Acroporen haben, ermöglicht es diesen Arten, andere, konkurrierende Korallen abzuschatten und zum Absterben zu bringen. Eine andere Form ist die direkte Aggression mit Hilfe von speziell ausgebildeten Wehrtentakeln, auch Kampftentakel genannt, die bei Kontakt mit einer anderen Koralle aus gewöhnlichen Fresstentakeln gebildet werden. Bei Galaxea fascicularis werden die Wehrtentakeln bis über zehn Zentimeter lang, während die Fresstentakel eine Länge von nur drei bis fünf Millimetern haben. Mit Hilfe der Wehrtentakel wird das erreichbare Gewebe der konkurrierenden Koralle vernesselt und abgetötet. Generell haben kleinpolypige Korallen eine höhere Wachstumsgeschwindigkeit, sind aber bei direkter Aggression unterlegen. Dagegen wachsen Großpolypige Steinkorallen langsamer, können den Konkurrenten aber stark vernesseln.
Gefährdung durch den Menschen
Steinkorallen werden heute durch anthropogene Einflüsse auf viele Arten gefährdet. Durch die Globale Erwärmung gibt es immer mehr Zeiten, in denen die Temperatur des Oberflächenwassers bei 30 °C oder höher liegt, so dass es vermehrt zur Korallenbleiche kommt. Außerdem werden Steinkorallen und andere Bewohner der Korallenriffe durch Abwässer von Industrie und Landwirtschaft, durch die Fischerei mit Dynamit und Cyanid gefährdet. Auf den Malediven wird Korallenkalk als Baumaterial für Gebäude und im Straßenbau eingesetzt. In Indonesien wird der gelöschte Kalk, der zum Genuss der Betelnuss nötig ist, oft aus Korallenkalk gewonnen. Die touristische Erschließung der Riffe führt zu direkten Zerstörungen durch das Ankern von Yachten und Ausflugsbooten an den Riffen und durch unvorsichtige Schnorchler und Taucher.
Für die Meerwasseraquaristik werden lebende Steinkorallen gesammelt. Das ist besonders bei seltenen, massiven, großpolypigen Arten, die man nicht durch einfache Fragmentation vermehren kann, ein Problem. Einige besonders farbige und gefragte Arten sind in vielen Riffen schon nicht mehr zu finden.
In der Zukunft wird die Versauerung der Meere zu einem großen Problem für Steinkorallen und andere ein Kalkskelett bildende Organismen werden, da der sinkende pH-Wert die Skelettbildung behindert.
Auf dem Bild:
Nach Korallenbleiche, durch erhöhte Wassertemperaturen, abgestorbene Steinkorallen, in einem Korallenriff auf den Seychellen.
Nutzung durch den Menschen
Seit Jahrhunderten fertigen Menschen aus bunten Korallenstücken Schmuck, vor allem Ketten.
Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Eigenschaften von Korallen wie Struktur, Festigkeit, Resorptionsfähigkeit zur Herstellung von Knochenersatzmaterial entdeckt und genutzt. Einsatzbereiche des aus Korallen gefertigten formbaren und aushärtbaren Pulvers sind vor allem die orale und orthopädische Chirurgie. Es werden Mischungen für einen breiten Anwendungsbereich angeboten.
Reproduktion
Sexuelle Fortpflanzung:
Bei der sexuellen Fortpflanzung laichen die Korallenpolypen, oft gesteuert durch die Mondphasen, ab. Steinkorallen sind, je nach Art, zwittrig oder getrenntgeschlechtlich. Erstere geben, um eine Selbstbefruchtung zu vermeiden, Eizellen und Spermien zu unterschiedlichen Zeitpunkten ab.
Bei den Korallenarten mit interner Befruchtung geben die Korallenpolypen nur die Spermienzellen ab, und die Befruchtung der Eizellen erfolgt im Muttertier. Es werden dann, zu einem späteren Zeitpunkt, schon fertige Planula-Larven abgegeben. Die größte Anzahl der Korallenarten vermehrt sich jedoch durch externe Befruchtung. Dabei geben die Korallenpolypen gleichzeitig Spermien und Eizellen ab. Die Befruchtung, durch die Masse der abgegebenen Keimzellen begünstigt, findet dann im freien Wasser statt. Die befruchteten Eizellen entwickeln sich zu Planula-Larven, die einige Tage, längstens sechs Wochen frei im Wasser treiben und sich dann an geeigneten Standorten ansiedeln. Aus der bilateral symmetrischen Planula-Larve, die sich festgeheftet hat, entwickelt sich ein radiärsymmetrischer Polyp, der ein Skelett bildet, sich weiter teilt und so den Grundstock einer neuen Kolonie bildet.
An der Küste Australiens folgt dem Massenablaichen der Korallen eine Planktonblüte. Carnivore Zooplankter wie Krebstiere und Pfeilwürmer vermehren sich wegen des Überangebotes an Nahrung massenhaft und locken ihrerseits die planktonfressenden Walhaie an die Küste.
Eingeschlechtliche Fortpflanzung:
Eine weitere Möglichkeit ist die Bildung von Planula-Larven durch Parthenogenese (Jungfernzeugung) im Gastralraum. Die Planula-Larven müssen, wie die Larven, die aus der sexuellen Fortpflanzung hervorgegangen sind, ein geeignetes Substrat zur Siedlung finden.
Auf dem Bild:
Acropora florida beim Ablaichen
Asexuelle Vermehrung:
Zerbricht eine Korallenkolonie z. B. durch Wellenschlag, so haben die Bruchstücke, wenn sie an einen günstigen Siedlungsplatz getrieben werden, die Fähigkeit, weiter zu wachsen und eine neue Kolonie zu bilden. Diese Form der Vermehrung kommt besonders bei ästig wachsenden Geweihkorallen der Gattung Acropora vor. Diese Arten sind meist sehr schnellwüchsig. Meerwasseraquarianer nutzen diese Möglichkeit, um Steinkorallen künstlich zu vermehren.
Weitere Möglichkeiten der ungeschlechtlichen Vermehrung sind die Polypenausbürgerung und die Produktion von Anthocauli. Bei der Polypenausbürgerung lösen sich einige Polypen ohne Skelett vom Korallenstock, lassen sich treiben, siedeln sich an einer günstigen Stelle wieder an und bilden eine neue Kolonie. Besonders bei der Gattung Pocillopora ist die Polypenausbürgerung häufig. Pilzkorallen (Fungiidae) bilden an ihrer Basis Anthocauli genannte kleine Tochterpolypen, die auch schon früh ein Skelett bilden und nach einiger Zeit vom Mutterpolypen abbrechen. Bei diesen Formen der asexuellen Vermehrung entstehen Klone der Mutterkolonie.
Stammesgeschichte
Über den Ursprung der Steinkorallen gibt es zwei unterschiedliche Theorien. Zum einen wird eine Abstammung von den Rugosa, hauptsächlich solitär lebenden Korallen aus dem Paläozoikum angenommen. Dagegen spricht der Aufbau des Rugosenskeletts aus Kalzit sowie der völlig unterschiedliche Bau der Septen. Außerdem verschwanden die Rugosen zum Ende des Perm, während die Steinkorallen erst in der Mittleren Trias erschienen. In der Unteren Trias fehlen fossile riffbildende Hexacorallia völlig. Alternativ dazu gibt es eine Hypothese über einen nicht skelettbildenden, und deshalb fossil nicht überlieferten Vorfahren aus der Verwandtschaft der Seeanemonen. Es ist nicht erwiesen, dass die Steinkorallen monophyletisch sind.
Auf dem Bild:
Jura-Riffschutt (Sammlung Benz)
Es sind ca. 5000 Arten fossiler Steinkorallen bekannt. Sie erschienen, nachdem die bisherigen Hauptriffbildner, die tabulaten Korallen (Tabulata) und die Rugosa im Oberperm ausgestorben waren. Zunächst bildeten sie nur kleine Riffe mit meist weniger als drei Metern Höhe in tieferem Wasser. Das lässt darauf schließen, dass sie noch nicht mit Zooxanthellen in Symbiose lebten. Diese Lebensgemeinschaft kam wahrscheinlich erst in der oberen Trias oder im frühen Jura auf, als die Riffe größer wurden und mehr als 20 Arten an der Riffbildung beteiligt waren. Im Jura erschienen die Caryophylliina, die viele solitäre Arten umfassen und mit Favia auch eine heute noch lebende Gattung. In der Unterkreide erschienen die Kaltwasserkorallen Oculina und Madrepora. Seit der Oberkreide gibt es die Dendrophylliina und die Acroporidae, die ein sehr leichtes Skelett haben, am schnellsten wachsen und heute etwa 40 % der Korallenfauna stellen. Die Gattungen Acropora, Galaxea, Fungia, Pocillopora und Seriatopora kamen im Verlauf des Tertiär hinzu. Am Beginn des Miozän, vor 23 Millionen Jahren, kam es zu einer großen Aussterbewelle unter den Steinkorallen. Die meisten heutigen Gattungen entstanden in den letzten 15 Millionen Jahren.
LPS und SPS
SPS und LPS gehören zur großen Familie der Steinkorallen.
- LPS steht für: “Large Polyp Scleractinia” oder auf Deutsch: “Groß-Polypige Steinkoralle”.
- SPS steht für: “Small Polyp Scleractinia” oder auf Deusch: “Klein-Polypige Steinkoralle”.
Auf dem Bild:
Verschiedene Steinkorallen im Roten Meer
Wissenschaftlich werden Steinkorallen nicht anhand ihrer Polypengröße unterschieden. Die Einteilung in LPS und SPS entstand in der Aquaristik und hat auch ihre Gründe. So unterschiedlich, wie die äußere Erscheinungsform bzw. die Polypengröße, so unterschiedlich sind auch die Habitate (Lebensräume) dieser beiden Gattungen und dementsprechend unterscheiden sich auch die Haltungsbedingungen von LPS und SPS im Meerwasseraquarium.
SPS-Korallen
Die SPS-Korallen sind Bewohner der flacheren Riffbereiche oder auch des Riffdaches welches zu großen Teilen extrem dicht direkt unter der Wasseroberfläche liegt. Folglich sind die SPS-Korallen an eine extrem starker Sonneneinstrahlung sowie starken und ständig wechselnden Strömungen gewöhnt. Die in diesen Flachwasserbereichen vorherrschende Nährstoffarmut sowie die gleichzeitig extrem hohe Sonneneinstrahlung haben dazu geführt das sich die SPS-Korallen fast ausschließlich über Ihre Symbiose-Algen, den Zooxanthellen ernähren. Die SPS-Koralle deckt somit nahezu ihren gesamten Energiebedarf (also ihre Ernährung) fast ausschließlich über die Photosynthesetätigkeit ihrer Zooxanthellen.
Ein niedriger Nährstoffgehalt bedeutet aber auch das diese Korallen sehr hohe Ansprüche an die Aquarienwasserqualität stellen. Aufgrund der exponierten Lage im Riff sind diese Korallen an starke und häufig wechselnde Strömungen angepasst (benötigen also auch im Aquarium starke und wechselnde Strömungen) und ragen, aufgrund gelegentlich stärker ausfallenden Gezeitenwechseln, auch schon mal über die Wasserfläche heraus. Das hierdurch verursachte Absterben des Gewebes gleichen diese Korallen durch eine sehr starke Regenerationsfähigkeit wieder aus. Dies führt auch dazu das diese SPS-Korallen, wenn die Bedingungen gut sind, auch im Aquarium eine starke Wachstumsrate an den Tag legen können. Diese SPS-Korallen lassen sich daher in der Regel auch sehr gut durch Fragmentierung (Ableger) vermehren.
Auf dem Bild:
Montipora-Polypen (Nahaufnahme)
Merkmale und Pflege von SPS
SPS-Steinkorallen faszinieren mit ihren filigranen Strukturen, lebendigen Farben und ihrem schnellen Wachstum. Sie umfassen Arten wie Acropora, Montipora und Pocillopora. SPS-Steinkorallen haben kleinere Polypen und erfordern eine hohe Beleuchtungsintensität und eine starke Wasserströmung, um ihre spezifischen Anforderungen zu erfüllen. Die Stabilität der Wasserparameter, einschließlich Temperatur, pH-Wert und Nährstoffgehalt, ist für das Wachstum und die Gesundheit von SPS-Steinkorallen entscheidend. Mit einer präzisen Wasserqualität und einer gezielten Versorgung mit Calcium, Magnesium und anderen essentiellen Spurenelementen können Sie eine beeindruckende Kolonie von SPS-Steinkorallen in Ihrem Riffaquarium pflegen.
Auf dem Bild:
Montipora aequituberculata
Bild oben:
Stylophora pistillata 'Milka'.
Diese Koralle kommt so nur in Aquarienhaltung und nicht in der Natur vor.
LPS-Korallen
Die LPS-Korallen sind eher in den etwas tieferen Riffregionen angesiedelt und sind daher auf eher moderate Lichtverhältnisse eingestellt. Folglich stellen daher auch im Aquarium nicht so extrem hohe Anforderungen an die Beleuchtungsstärke wie die SPS-Arten aus den Flachwasserzonen. Diese Regionen sind auch bei weitem geringeren Strömungen sowie Strömungswechseln ausgesetzt, so dass diese Tiere auch im Aquarium häufig keine zu starke oder auch ständig wechselnde Strömung vertragen. Aufgrund der geringeren Beleuchtungsstärke und des wesentlich größeren Nährstoffangebotes in den tieferen Riffregionen haben sich die LPS-Korallen teilweise oder sogar gänzlich auf die Nährstoffaufnahme aus dem Wasser verlegt. Die LPS-Korallen nehmen Nährstoffe und Partikel aus dem vorbeiströmenden Wasser auf und fischen mit Ihren Polypen aktiv nach Phyto- sowie Zooplankton.
Auf dem Bild:
Großpolypige Steinkoralle: Euphyllia glabrescens
Merkmale und Pflege von LPS
LPS-Steinkorallen sind für ihre auffälligen Farben, leuchtenden Polypen und interessanten Formen bekannt. Sie reichen von Gehirnkorallen (Brain Corals) über Blasenkorallen (Bubble Corals) bis hin zu eleganten Euphyllia-Arten wie Torch Coral oder Hammer Coral. LPS-Steinkorallen bevorzugen in der Regel weniger intensive Beleuchtung und Strömung im Vergleich zu SPS-Korallen. Ein stabiler Nährstoffgehalt und die regelmäßige Zugabe von Calcium und Spurenelementen sind entscheidend für ihr gesundes Wachstum. Mit der richtigen Pflege können LPS-Steinkorallen eine atemberaubende Schönheit in Ihrem Riffaquarium entfalten.
Großpolypige Steinkorallen brauchen in der Regel nicht so nährstoffarmes Wasser, wie die meisten SPS-Korallen. Es sollte oder muss sogar ein Mindest-Nährstoffgehalt im Aquarium ständig aufrecht erhalten werden, da diese Korallen eine hohen Nährstoffbedarf an den Tag legen und unter nährstoffarmen Bedingungen sogar eingehen würden. Im Vergleich zu den SPS-Korallen ist ihre Wachstums- und Regenerationsrate deutliche geringer, was auch dazu führt das sie auch wesentlich empfindlicher auf Gewebeverletzungen reagieren.
Man sollte bei den LPS-Korallen eine Gewebsverletzung nach Möglichkeit vermeiden, da diese nicht selten zu einer weiteren Gewebszersetzung und zum eingehen der Koralle führen kann. Diese Beschreibung der beiden Hauptarten LPS und SPS ist sehr stark vereinfacht und bewusst auf das wesentliche beschränkt, da es hauptsächlich darum geht die starken Unterschiede in den Pflegebedingungen hervorzuheben.
Bild oben:
Galaxea fascicularis im Roten Meer
Foto von: "Diego Delso, delso.photo, License CC-BY-SA"
Auf dem Bild:
Pilzkoralle (Funghia)
Die Fungiidae sind eine Familie von Steinkorallen.
Azooxanthellate Steinkorallen
Auch in der Familie der Steinkorallen gibt es zahlreiche Arten, die ohne Zooxanthellen leben, dass heißt keine photosynthetischen Dinoflagellaten und einzellige Algen in ihrem Gewebe einlagern, welche sie mit Stoffwechselprodukten als Nahrung versorgen. Solche azooxanthellaten Arten finden sich sowohl in den Tropen, als auch in gemäßigten und kalten Meeren. Azooxanthellate Korallen sind in der Regel auf aktiven Beutefang mit ihren Tentakeln angewiesen um sich zu ernähren, deshalb handelt es sich bei ihnen auch durchwegs um großpolypige Korallen. Einige azooxanthellate Steinkorallen sind sogar riffbildend, wie etwa Tubastraea micranthus aus dem Indopazifik oder auch die Kaltwasserkoralle Lophelia pertusa.
Auf dem Bild:
Azooxanthellate Solitärkorallen
Balanophyllia bonaespei (Dome Rock Reef, Südafrika)
Weitere Informationen zu azooxanthellaten Steinkorallen gibt es auf den beiden Seiten "Steinkorallen der gemäßigten Meere" und "Großpolypige Steinkorallen".
Auf dem Bild:
Tubastraea micranthus. Sie ist die einzige riffbildende Tubastraea. Unterwasserfoto aus der Nähe von Ambon, Maluku, (Indonesien).
Auf dem Bild:
Schwarze Kelchkoralle (Tubastraea micranthus), Dendronephthya und weitere azooxanthellate Korallen.
Unterwasseraufnahme von den Phillipinen.
Auf dem Bild:
Sonnenkoralle, Orange-gelbe Kelchkoralle (Tubastraea faulkneri)
Systematik der Steinkorallen
Die Steinkorallen werden heute in ca. 35 Familien mit etwa 1490 beschriebenen Arten eingeteilt. Die Klassifikation beruht auf morphologischen Merkmalen. Ursprünglich wurden über 2500 Arten beschrieben, viele aber nach Revisionen als lokale Varietäten schon bekannter Arten erkannt. Die hier wiedergegebene Systematik zeigt die gültigen Familien nach dem Weltweiten Register der Meereslebewesen.
Innere Systematik der Steinkorallen nach Quek et al. 2023:
Ordnung Steinkorallen (Scleractinia):
- Familie Acroporidae
- Familie Agariciidae
- Familie Anthemiphylliidae
- Familie Astrangiidae
- Familie Astrocoeniidae
- Familie Caryophylliidae
- Familie Cladocoridae
- Familie Coscinaraeidae
- Familie Deltocyathidae
- Familie Dendrophylliidae
- Familie Diploastraeidae
- Familie Euphylliidae
- Familie Faviidae (Mussidae)
- Familie Flabellidae
- Familie Fungiacyathidae
- Familie Fungiidae
- Familie Gardineriidae
- Familie Guyniidae Hickson
- Familie Leptastreidae
- Familie Lobophylliidae
- Familie Meandrinidae
- Familie Merulinidae
- Familie Micrabaciidae
- Familie Montastraeidae
- Familie Oculinidae
- Familie Oulastreidae
- Familie Pachyseridae
- Familie Plerogyridae
- Familie Plesiastreidae
- Familie Pocilloporidae
- Familie Poritidae
- Familie Psammocoridae
- Familie Rhizangiidae
- Familie Schizocyathidae
- Familie Stenocyathidae
- Familie Turbinoliidae
Viele, der oben aufgeführten Familien, sowie interessante Arten aus den jeweiligen Familien, sind auf den beiden unten verlinkten Seiten genauer beschrieben.
Aquarienhaltung von Steinkorallen
Steinkorallen benötigen eine gute Wasserqualität mit stabilen Wasserparametern. Dazu gehören eine geeignete Beleuchtung, passende Strömung, ein ausgewogenes Nährstoffverhältnis und eine regelmäßige Überprüfung der Wasserparameter. Eine sorgfältige Fütterung mit qualitativ hochwertigem Korallenfutter oder planktonischem Zooplankton ist ebenfalls wichtig, um die Gesundheit und das Wachstum der Steinkorallen zu unterstützen.
Die unterschiedlichen Steinkorallenarten haben auch verschiedene Ansprüche an die Aquarienbeleuchtung. Die photosynthetisch aktive Strahlung (PAR) ist wichtig für SPS-Korallen. Der ideale Wert liegt bei 200-600 PAR für SPS-Korallen im Meerwasseraquarium.
Auf dem Bild:
Steinkorallen-Becken im Seattle Aquarium.
Für das Wachstum von Steinkorallen ist die Fotosynthese wichtig, dafür benötigen die Korallen das passende Licht. LPS- und SPS-Korallen brauchen außerdem die passende Strömung, um kontinuierlich einen Durchlauf mit frischem Wasser zu erhalten und unter anderem Nahrung aufzunehmen. Der Gehalt von Mineralien und Spurenelementen im Meerwasseraquarium ist wichtig, damit die Korallen sich im Wasser wohlfühlen. Generell sollten die Wasserparameter regelmäßig geprüft werden, um eine ideale Umgebung für LPS- und SPS-Korallen zu schaffen. Steinkorallen mögen stabile Wassertemperaturen und benötigen hochwertiges Korallenfutter, um sich gesund entwickeln zu können.
Auf dem Bild:
Steinkorallenbecken im Steinhart Aquarium der California Academy of Sciences in San Francisco, Kalifornien.
Links ein Kupferband-Falterfisch (Chelmon rostratus) und rechts von der Mitte ein gelbgefleckter Drachenkopf (Sebastapistes cyanostigma). Die Staghornkoralle (Acropora sp.) dominiert die Mitte der Szene, während links die Froschlaichkoralle (Fimbriaphyllia divisa.), grün aufgrund ihrer symbiotischen Algen, hervorsticht, dahinter stark nesselnde Feuerkorallen (Millepora sp.). Verschiedene Fungiidae sind über den Boden verstreut.
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