Manteltiere (Tunicata)

Auf dem Bild:
Das Manteltier Atriolum robustum auf Siphonogorgia godeffroyi

Manteltiere

ohne Rang: Vielzellige Tiere (Metazoa)
ohne Rang: Gewebetiere (Eumetazoa)
ohne Rang: Bilateria
Überstamm: Neumünder (Deuterostomia)
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Manteltiere

Die Manteltiere (Tunicata, Urochordata) sind ein weltweit rein marin verbreiteter Unterstamm der Chordatiere. Sie leben als sessile Tiere auf dem Meeresboden (Seescheiden) oder planktonisch (Salpen, Appendikularien). Manteltiere können als Einzeltiere oder als Kolonien auftreten. Ihr Name leitet sich von einem Mantel (Tunica) aus Tunicin (Cellulose) ab. Es gibt rund 3000 Arten.

Merkmale:
Wichtiges Merkmal ist ein Cuticularmantel, der von der einschichtigen Epidermis abgeschieden wird und – einmalig im Tierreich – das Polysaccharid Cellulose enthält. Eine Besonderheit der Tunicata, welche sonst hauptsächlich von den Insekten bekannt ist, ist, dass ihr Herz die Möglichkeit hat, die Richtung des Blutflusses innerhalb kürzester Zeit zu ändern. Nachdem das Blut vom Herz eine gewisse Zeit in den Kiemendarm getrieben wurde, bleibt das Herz eine kurze Zeit stehen und wechselt die Pumprichtung des Blutes, sodass der Magen versorgt wird.

Ihre Zugehörigkeit zu den Chordaten ergibt sich aufgrund der Organisation der Larven, bei denen der Ruderschwanz von einer Chorda dorsalis und einem Neuralrohr durchzogen wird. Nur bei den pelagisch lebenden Appendicularien gilt dies auch für die Adultform. Sonst weisen sie im Adultstadium keine myomere Segmentierung (V-förmige Muskelsegmente) sowie keine Schwanzstrukturen auf. Ebenso fehlen ihnen die nierenartigen Nephridien, wodurch die Exkretion über die Darmoberfläche oder über Speicherzellen erfolgt. Das Blutsystem ist offen (lakunär). Charakteristisch ist eine Ein- und Ausströmöffnung für das Atemwasser und die Planktonnahrung. Die Pumprichtung des Herzens wird in regelmäßigen Abständen umgekehrt.

Ernährungsweise:
Manteltiere sind mikrophage Filtrierer. Der Kiemendarm der Tunicata besitzt zahlreiche Spalten, die wie ein Sieb funktionieren. Mittels Zilien an der Mundregion wird ein Wasserstrom erzeugt, der Nahrungspartikel durch den reusenartigen Kiemenkorb treibt. Am Grund des Kiemendarms liegt die Hypobranchialrinne, das sogenannte Endostyl. Sie produziert einen Schleim, der die eingestrudelten Nahrungspartikel regelrecht aufrollt und schließlich dem Verdauungsteil des Darmes zuführt. Bei adulten Salpen öffnet sich der Peribranchialraum zu einer Ausströmöffnung hin. Hier finden sich auch die Öffnungen des Enddarms und der Geschlechtsöffnungen in einen Kloakenraum. Die Hypobranchialrinne lässt sich wegen ihrer Fähigkeit, Iod aufzunehmen, mit der Schilddrüse der Wirbeltiere in eine Entwicklungsreihe stellen.

Fortpflanzung:
Sehr auffällig sind auch die komplizierten Fortpflanzungsverhältnisse mancher Manteltierklassen: Es kann ein Wechsel zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Generation vorkommen (Salpen).

Überhaupt ist die ungeschlechtliche Vermehrung weit verbreitet. Sie führt vielfach zu charakteristischen Kolonienbildungen, wenn die Tochtertiere beisammenbleiben. Die Salpen bilden Ketten, die Feuerwalzen sind ausschließlich als Kolonien bekannt, und auch die Seescheiden entwickeln z. T. Stöcke oder Kolonien von typischer Form.

Innere Systematik:
Traditionell werden die Manteltiere in drei Subtaxa im Rang von Klassen eingeteilt:

  • Appendikularien (Larvacea)
  • Seescheiden (Ascidiacea)
  • Salpen (Thaliacea)
Von diesen drei Klassen bilden die Seescheiden nach DNA-Sequenzanalysen kein Monophylum.

Seescheiden
Ascidiae

Seescheiden (Ascidiae oder Ascidiacea) sind sessile Manteltiere, die weltweit die Meere vom Schelf bis zur Tiefsee besiedeln. Mit rund 3000 Spezies sind sie die artenreichste Gruppe der Manteltiere. Aufgrund ihrer Fähigkeit, einen Mantel zu bilden, und da sie als innere Mikrofiltrierer die Produktivität des freien Wasserkörpers ausschöpfen können, sind die Seescheiden eine der erfolgreichsten Tiergruppen. Seescheiden, wie die Schlauchseescheide gelten als die engsten lebenden wirbellosen Verwandten von Wirbeltieren. Ihre kaulquappenartigen Larven weisen bei einigen Organen und Geweben erhebliche Ähnlichkeiten mit den Entsprechungen bei sich entwickelnden Wirbeltieren auf.

Seescheide in einem Mittelmeer-Aquarium im Haus der Natur (Salzburg)

Seescheide im Haus der Natur (Salzburg)

Merkmale:

Nach der Wuchsform werden, nicht taxonomisch, folgende drei Typen unterschieden:

  • Solitärascidien
    die immer ein Oozooid repräsentieren
  • Soziale Ascidien
    meist mit Stolonen verbunden
  • Synascidien
    koloniale Formen mit gemeinsamem Mantel, Gefäßsystem, oft zu Gruppen zusammengefassten Ausstromsiphonen in einem Kloakalraum des Mantels und mit vielfältigster Anordnung der meist sehr kleinen Einzeltiere.


Die äußere Erscheinung von Seescheiden ist aufgrund der besiedelten Lebensräume sehr vielgestaltig. Arten des Sandlückensystems (Mesopsammon) erreichen nur Millimeter-Größe (etwa Psammostyela delamarei, Diplosoma migrans). Die subantarktische Solitärascidie Molgula gigantea erreicht Größen von bis zu 30 cm. Bei der 80 cm langen gestielten Tiefsee-Ascidie Culeolus murrayi misst der eigentliche Körper nur etwa 8 cm. Die Synascidie Aplidium conicum bildet bis zu 50 cm hohe, massige Kolonien. Schließlich existieren auch dünne bandförmige Kolonien von 4–43 m Länge. Im Mantel der Seescheiden finden sich mesenchymatische Zellen, die die verschiedensten Farbstoffe enthalten können. Die kleinste Art ist Molgula hydemanni, die einen Durchmesser von 2 mm aufweist. Die größte Art ist Molgula gigantea. Sie wird 33 cm lang.

Lebensweise:

Adulte Seescheiden sind sessil, die Larven jedoch frei schwimmend.

Seescheiden gehören – wie zum Beispiel auch der Mensch – zu den Chordatieren, das heißt, sie haben in bestimmten Entwicklungsstadien gleiche Organe: eine stabförmige Stütze im Rücken, Chorda genannt, um die sich bei Wirbeltieren eine Wirbelsäule entwickelt. Die Chordatenmerkmale sind bei den Seescheiden nur im Larvenstadium zu erkennen. Im Larvenstadium stimmt die Seescheide fast komplett mit der Larve der Wirbeltiere überein.

Die Gehirnanlage, die im Larvenstadium vorhanden ist und für Orientierung und Bewegung gebraucht wird, ist beim erwachsenen sessilen Tier komplett verschwunden. Durch eine Rückbildung ist nur noch ein Ganglion (Nervenknäuel) vorhanden.
 

Fortpflanzung:

Seescheiden sind simultane Hermaphroditen. Aber auch die ungeschlechtliche Vermehrung durch Knospenbildung ist weit verbreitet.

Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung der Seescheiden entstehen "geschwänzte Larven". "Nach kurzer Lebensdauer" entwickeln sich diese mittels "komplexer Umbauvorgänge zur festsitzenden Ascidie". Ferner sind viele Arten der Seescheiden auch – "im Zusammenhang mit der Fähigkeit zur Regeneration" – zu vegetativer Fortpflanzung fähig. Einzeltiere schließen sich danach eng zusammen und es entstehen Kolonien.

Ernährung:

Fast alle Seescheiden sind Nahrungsstrudler. Über eine Einström-Öffnung wird das Wasser in den Kiemendarm geleitet, eine spezielle Bildung, in der die Nahrung herausgefiltert wird, um dann dort durch Kiemenspalten in den Peribranchialraum zu gelangen. Der Kiemendarm ist hoch entwickelt. Oft enthält er Tausende von Kiemenspalten. Alle Partikel, die eine Größe von unter 1 μm haben, bleiben darin hängen. Danach wird das filtrierte Wasser durch die Ausström-Öffnung wieder abgegeben. Über den Kiemendarm werden auch lösliche Stoffwechselendprodukte ausgeschieden. Der Darm ist U-förmig gestaltet.

Im Januar 2009 wurde in der australischen Tiefsee südöstlich der Insel Tasmanien in einer Meerestiefe von 4000 Metern eine Art entdeckt, welche sich von kleineren Fischen ernährt, die, ähnlich wie bei der Venusfliegenfalle, im Inneren der Seescheide gefangen werden.

Ökologie:

Die Möglichkeit, über eine sensorisch gut ausgestattete Schwimmlarve selektiv zu siedeln, sich bei günstigen Verhältnissen vegetativ sehr rasch auszubreiten und außerdem sexuell zu reproduzieren, macht die Seescheiden erfolgreich gegenüber anderen sessilen Lebewesen. So sind Massenentwicklungen von Cionia intestinalis bekannt, die Individuendichten von 1500 bis 5000 pro m² erreichen. Auf den Corallinaceenböden des Mittelmeers stellen Seescheiden mehr als die Hälfte aller sessilen Arten. Sehr häufig sind hier vor allem die Vertreter der Gattung Microcosmus.

Systematik:

Die Seescheiden werden bei den Manteltieren (Tunicata) eingeordnet, die zum Stamm der Chordata gehören. Es gibt zwei Ordnungen, drei Unterordnungen und 15 Familien.

Derzeit gibt es weltweit ungefähr 3000 beschriebene Arten.

Verbreitung in Deutschland:

In "deutschen Meeresgewässern sind etwa 24 Arten nachgewiesen". 19 dieser Arten finden sich im Raum Helgoland. Darunter sind auch einige Neozoen. Eine Art – sie ist kein Neozoon im Raum Helgoland – ist weltweit verbreitet: die Schlauchseescheide (Ciona intestinalis).

Nutzung durch den Menschen:

In Essig eingelegte Seescheiden der Familie Pyuridae werden in Nordjapan und in Korea gegessen.


Schaut gerne auch in unserem Shop vorbei: